Vierte Synodalversammlung: Einschätzungen aus der Perspektive der Führungsforschung
zap:direktor Prof. Dr. Matthias Sellmann hat in der letzten Woche an der Vierten Synodalversammlung als stimmberechtigtes Mitglied teilgenommen. In der folgenden Einschätzung vertritt er seine Sicht auf die Veranstaltung aus der Perspektive der Führungsforschung.
Einschätzungen zur Vierten Synodalversammlung aus der Perspektive der Führungsforschung
“Das zap steht für die Erforschung von Kirchenentwicklung, und zwar hinsichtlich der Fragen nach Kirchenorganisation und Führung. Wenn man diesen organisationsbezogenen Blick auf die Vierte Synodalversammlung im Synodalen Weg der Kirche in Deutschland richtet, dann haben sich enorme Störungen und Bruchstellen gezeigt.
Diese Störungen liegen z.B. im Zeitdruck, der den Reformdruck der anstehenden Probleme spiegelt. Wer komplett verantwortlich allen Texten gerecht werden wollte, hätte kaum Sommerurlaub machen können.
Die für den ganzen Prozess gewichtigste Störung liegt jedoch woanders. Vor allem die Nicht-Mehrheit zum Text zur Sexualethik am ersten Abend hat Bruchstellen der Zusammenarbeit der Bischöfe in ihrer Bischofskonferenz offengelegt. Diese waren vielleicht noch nie so öffentlich wie jetzt. Viele Bischöfe haben eingestanden, dass es zu wenig Gespräch zwischen den Bischöfen gibt; zu wenig Abstimmung; dass die Rollen unklar sind; dass es zwischen Weihbischöfen und Ortsbischöfen enorme Unklarheiten gibt; dass man zu wenig Formate der Klärung hat; dass die eigenen Regelsysteme zu viel Vakuum und zu einfache Torpedierungen zulassen; usw.
Ich möchte diese Beobachtungen in die Formel fassen: Wer sich in einem Verfahren ein Quorum erstreitet – und ich betone, dass ich prinzipiell ein Quorum des Amtes für theologisch begründet halte, in welcher Ausgestaltung muss allerdings neu überlegt werden – der muss sich dieses Privileg auch verdienen. Der muss mehr arbeiten, mehr reflektieren, mehr zuhören und mehr sprechen als andere. Denn seine Stimme zählt schwerer als die der anderen.
In Frankfurt ist deutlich geworden, dass es eine große Zahl von Bischöfen gibt, die diese Mehrarbeit bisher nicht leisten. Sie beteiligen sich nicht an Hearings, sie schreiben nicht an den Texten mit, sie stellen keine Anträge, sie äußern sich nicht im Plenum. Sie verweigern sich faktisch der Verantwortung ihres Quorums.
Hätte man das seitens des Managements des Synodalen Wegs vorhersehen können? Vielleicht war man hier naiv und hat sich dieses Verweigerungsszenario nicht vorstellen können. Ich gestehe: Ich hatte diese Naivität. Fakt ist jedenfalls: Die Ablehnung des Textes zu einer erneuerten Sexualmoral kam ganz unangekündigt und wie aus heiterem Himmel.
Wohlgemerkt: Man kann einen Text ablehnen. Dies kann aber nicht situativ und unter Nichtbeachtung aller abgesprochenen Beteiligungsformate geschehen. Ein solches Sabotage-Verhalten ist jeder Führungskraft unwürdig, und so auch einer kirchlichen. Das ist nicht akzeptabel. Das beschädigt das Amt und auch die Autorität eines Bischofs. Es ist diese Ablehnung aus offenbarer Verweigerung heraus, die die queeren Menschen in der Synodalversammlung und draußen so sehr verletzt hat.
Bis zur Fünften Versammlung muss die Professionalität dieser Bischöfe dringend anwachsen, die sie bisher nicht gezeigt haben.
Wir vom zap werden diese Bruchstellen in den Rollen und Regelsystemen, aber auch die Learnings aller Beteiligten des Synodalen Wegs weiter aufmerksam verfolgen. Denn ein Synodaler Weg ist und bleibt besser als kein Synodaler Weg – auch wenn wir jetzt präziser wissen, wie steinig er ist."