“Selbstbewusstsein der Gläubigen ist gewachsen” – Prof. Dr. Tine Stein im Interview
Gemeinsam mit Prof. Dr. Julia Knop, Prof. Dr. Matthias Remenyi und Prof. Dr. Matthias Sellmann hat Prof. Dr. Tine die Konferenz “Synode als Chance" organisiert. Sie selbst hat am zweiten Tag den Vortrag “Charisma vergeht, Kirchenrecht besteht? Der Synodale Weg zwischen Neugründung, Transformation und Reform" in Würzburg gehalten. Im Gespräch mit zap:bochum spricht Sie über die Konferenz und die Zukunft der Kirche.
Prof. Dr. Tine Stein ist seit 2018 Inhaberin des Lehrstuhls für Politische Theorie und Ideengeschichte an der Georg-August-Universität Göttingen.
Waren Sie zufrieden mit der Konferenz aus der Sicht als Organisatorin?
Der Erfolg einer Konferenz steht und fällt meiner Erfahrung nach mit drei Dingen. Erstens und vor allem bedarf es sehr guter Beiträge durch die Referentinnen und Referenten: So war es hier – alle haben sehr instruktive Beiträge eingebracht und wir hatten entsprechend lebhafte Debatten mit allen Teilnehmenden. Zweitens braucht es eine gastfreundliche Atmosphäre. Die war in der Domschule unbedingt gegeben und wir sind dem dortigen Team sehr dankbar, so gute Bedingungen vorgefunden zu haben, auch mit dem Tagungsraum, in dem übrigens einst die Cafeteria für die Würzburger Synode untergebracht war. Und drittens muss das Tagungskonzept aufgehen und das hat hier gepasst: am ersten Tag der historische Rückblick auf die Dresdener und die Würzburger Synode, am zweiten Tag der Frankfurter Synodale Weg und am dritten Tag der Blick in die Welt – da haben sich durch den historischen und internationalen Vergleich sehr gute Einsichten ergeben.
Was waren die größten Erkenntnisse der Konferenz für Sie?
Dass historisch gesehen alles schon einmal da gewesen ist und sich auch derzeit auf anderen Kontinenten Vergleichbares zu Deutschland abspielt. Die Bischöfe versprechen im Dialog Reformen und dann passiert wenig, und dies gleichviel, ob sich der Prozess diesseits oder jenseits kirchenrechtlicher Bahnen abspielt.
Wie bewerten Sie die Struktur und die Ergebnisse des Synodalen Weges aus politikwissenschaftlicher Sicht?
Die alte politikwissenschaftliche Erkenntnis, dass Abstimmungsmodalitäten bereits im Vorfeld ihre Wirkung tun, hat sich auch hier gezeigt. Die erforderliche Zwei-Drittel-Mehrheit der Bischöfe hat der Reformverweigerung eine überproportional hohe Konfliktfähigkeit verliehen, die dazu führte, dass bei vielen – nicht bei allen – Texten Ecken und Kanten abgeschliffen wurde. Zugleich hat sich aber doch etwas bewegt. Eben, dass doch immerhin einige weitreichende Texte erfolgreich verabschiedet wurden, die nun einen Referenzpunkt für zukünftige Debatten bilden und auch, dass das Selbstbewusstsein der Gläubigen gewachsen ist, die Dinge in die Hand zu nehmen. Das betrifft die innerkirchliche „politische“ Kultur als Art und Weise des Miteinander-Redens – die ist demokratischer geworden. Ob diese Fortschritte, der „revolutionäre Millimeter“ wie wir es auf der Konferenz genannt haben, geeignet sind, die entscheidenden Schritte aus der existentiellen Legitimationskrise der Kirche zu weisen, wird sich erst noch zeigen.
Um in der Kirche mehr Teilnahme und Inklusion zu erreichen, was müsste strukturell Ihrer Meinung nach geändert werden?
Es geht nicht einfach um mehr Teilnahme und Inklusion, sondern um ein grundlegend geändertes Bild von Kirche: das Prinzip der Episkopalität braucht das Prinzip der Synodalität als ein Gegengewicht. Von diesem anderen Bild aus, muss dann auch den Nicht-Geweihten Gläubigen die Entscheidungs- und Leitungskompetenz zukommen, was sowohl funktionaler ist als auch im Sinne der gleichen Taufwürde gerechtfertigt. Zudem bedarf es endlich des diskriminierungsfreien Zugangs zu allen Weiheämtern allein aufgrund der jeweiligen Charismen.
Foto: Uni Göttingen
Prof. Dr. Tine Stein bei der Tagung "Synode als Chance"