Erprobung von Charismenorientierung als pastoralem Organisationsprinzip in der Pfarrei
Kurzdiagnose
Gemeindetheologisch wird derzeit unter dem Begriff der „Charismenorientierung“ ein ganzer Plural ekklesiologischer, pastoralplanerischer und kirchenrechtlicher Ansätze der Kirchenentwicklung und Kirchenleitung diskutiert. Diese richten sich unter Rückbezug auf die paulinische Charismenlehre sowie die Volk Gottes Theologie des II. Vaticanums auf neue Rollenverständnisse vor allem für kirchlich ehrenamtlich engagierte Frauen und Männer. Nach wie vor bedarf dabei, in der wissenschaftlichen Begleitdebatte wie in den vorzufindenden Praxis Konzeptionen, der Begriff „Charisma“ einer Schärfung. Aus pastoraltheologischer Perspektive ist das hochbrisant und chancenreich zugleich: Erst ein so offener und schillernder Begriff wie „Charismenorientierung“ macht es möglich, ekklesiologisch und ämtertheologisch festgefahrene und doch für die Kirche überlebenswichtige Debatten zu katalysieren
Kooperationspartner: Erzbistum Berlin Laufzeit: Oktober 2016 – Januar 2018
Projektbeschreibung
Im Vorfeld des Modellprojektes (Frühjahr 2016) fand ein Auswahlverfahren statt: 12 Pfarreien aus dem gesamten Erzbistum hatten sich auf die Projektausschreibung hin beworben. Letztendlich wurden im Spätsommer 2016 eine Innenstadtpfarrei in Tiergarten und ein ländlicher Pastoraler Raum in Brandenburg ausgewählt. Danach stand die Kontaktaufnahme mit den ausgewählten Pfarreien an erster Stelle: Ein erstes Treffen des Projektkoordinators der wissenschaftlichen Begleitung und jeweils einem Team der Gemeindeberatung mit den Interessierten der Pfarreien wurde jeweils für Ende September und Anfang Oktober 2016 terminiert.
An beiden Projektorten bildeten sich schnell Steuerungsgruppen, die sich in regelmäßigen Abständen zu Arbeitstreffen mit dem Projektkoordinator und der wissenschaftlichen Begleitung trafen. Nach einigen sehr zeit- und diskussionsreichen Arbeitstreffen stellte sich heraus, dass die Interessen der beiden Projektpfarreien mit jenen der Projektkoordination und der wissenschaftlichen Begleitung nicht vereinbar waren. In Absprache mit dem Generalvikar wurde sich dafür entschieden, das Projekt vorzeitig zu beenden.
Zentrale Learnings
Mit dem Blick auf die operativen Ziele des Projektes muss diagnostiziert werden, dass die projektleitenden Ziele verfehlt wurden. Trotz dieser Ernüchterung kann die wissenschaftliche Begleitforschung aber dennoch feststellen, dass man im Projekt vieles gelernt hat. Aus heutiger Sicht kann viel kontrastschärfer erkannt werden, wie Charismenorientierung zu kommunizieren, zu motivieren, zu moderieren und eventuell auch zu implementieren wäre. In diesem Sinne darf das vorzeitig abgebrochene Projekt als durchaus ertragreich gelten, wenn konstatiert wird, dass weder die zugrundeliegende ekklesiologische und pastoralplanerische Krisendiagnose fehlgeht noch der theologisch gebotene Paradigmenwechsel hin zu einer Charismenorientierung “ zu den Akten zu legen. Die Ergebnisse des Projektes lassen sich in sieben erfolgskritischen Faktoren zusammenfassen, die bei der Umstellung auf eine charismenorientierte Pastoral zu beachten sind.
Klärung des Charismenbegriffs (durch das Bistum/Erzbistum)
Formulierung von SMARTen Zielen und konkreten Maßnahmen zur Realisierung von Charismenorientierung als pastoral planerisches Instrument
Einbindung und Verknüpfung in aktuell laufende pastorale Prozesse vor Ort
Zustimmung und Unterstützung des leitenden Pfarrers vor Ort
Veränderungsbereitschaft in Bezug auf die Gemeindetheologie
Klare Zuständigkeiten in der Projektkoordination und -steuerung durch das Bistum/Erzbistum
Sensible Kommunikation der Brisanz des Konzepts Charismenorientierung durch die wissenschaftliche Begleitung
Ausführliche Informationen
Theresa Faupel, Erfolgskritische Faktoren einer charismenorientierten Pastoral. Lernen aus einem gescheiterten Experiment, in: Lebendige Seelsorge, 02/2019, S. 131-136.