Empirische und theologische Sichtung der Pfarrei-Voten im Ruhr-Bistum plus strategischer Handlungsempfehlungen
Kurzdiagnose: Auf welche Herausforderung reagiert das Projekt?
Das Bistum Essen hat im Sommer 2018 den ersten Schritt der Pfarreientwicklungsprozesse abgeschlossen. Im Rahmen dieses Prozesses, der 2015 in nahezu allen 42 Pfarreien begann, hat das Generalvikariat den Pfarreien vor Ort eine wichtige Rolle in der Planung ihrer zukünftigen Gestalt übertragen. Sie sollten bis zum Ende des Jahres 2017 ein Konzept in Form eines Votums für die künftige pastorale wie wirtschaftliche Ausrichtung und Schwerpunktsetzung ihrer Pfarreientwicklung entwerfen. Zieljahr der Planung ist 2030. Die Voten bilden zugleich die Grundlage für die inhaltlichen und strukturellen Maßnahmen im Pfarreientwicklungsprozess. Um einen breiten Überblick über die unterschiedlichen Konzepte zu gewinnen, die Voten angemessen zur Sprache zu bringen und den weiteren Handlungsbedarf des Generalvikariats zu bestimmen, übernahm das zap die Auswertung der Voten.
Kooperationspartner: Bistum Essen Laufzeit: November 2018 – August 2019 Projektleitung: Björn Szymanowski
Projektbeschreibung
Wie ist man das Projekt angegangen?
Auf insgesamt 1.500 Seiten schildern die Pfarreien ihre aktuelle Situation, die intendierte Architektur des internen Pfarreientwicklungsprozesses, ihre pastorale Zukunftsvision und das dazugehörige Wirtschaftskonzept samt Immobilienplanung. Obgleich den Pfarreien zur Abfassung mehrere diözesane Arbeitshilfen zur Verfügung standen, sind die 42 Voten des Pfarreientwicklungsprozesses (im Folgenden: PEP-Voten) sowohl in ihrer programmatischen als auch konzeptionellen Ausrichtung äußerst heterogen. Überdies betonte die diözesane Steuerungsgruppe wiederholt den Wert einer ungetrübten Perspektive auf die PEP-Voten. Beide Sachverhalte machten den Rückgriff auf eine Auswertungsmethode erforderlich, die sowohl der Diversität der Dokumente als auch der Erreichung der Projektziele der Evaluation Rechnung tragen konnte. Am geeignetsten erwies sich dafür ein induktiver Zugang. Anders als deduktive Auswertungsmethoden, die ein theoriegeleitetes Analyseraster an das Datenmaterial herantragen, zielen induktive auf einen möglichst ungefilterten Zugriff auf das Datenmaterial. Das Analyseraster entwickelt sich dabei parallel zur Auswertung. Die Evaluation des zap hat sich insbesondere an der sozialempirischen Methode der zusammenfassenden qualitativen Inhaltsanalyse nach Philipp Mayring orientiert.
Welche Arbeitsphasen hat das Projekt durchlaufen?
Im Verlauf der Konzeptionierungsphase hat sich ein dreiteiliger Untersuchungsrahmen herauskristallisiert. Die Evaluation beginnt in der ersten Phase mit einer Zusammenfassung des vorhandenen Datenmaterials der 42 Voten in Form induktiv gebildeter Kategorien, die einen weitreichenden Einblick in zentrale pastorale Leitlinien ermöglichen. Die zweite Phase widmet sich der im Verlauf der ersten Phase deutlich zutage getretenen Unterschiede im Pfarreiverständnis, deren Kenntnis für die Gesamteinordnung der Ergebnisse und die Ermittlung des Handlungsbedarfs des Generalvikariats bedeutende Relevanz besitzt. Um die PEP-Voten in den größeren Kontext des diözesanen Entwicklungsprozesses einzubetten, besteht die letzte Projektphase in der Untersuchung von Interdependenzen zwischen den in den PEP-Voten formulierten Grundanliegen der Pfarreien und dem Zukunftsbild des Bistums Essen.
Welche Ereignisse waren im Projektverlauf wichtig?
Neben den regelmäßigen Treffen mit der diözesanen Steuerungsgruppe zählten zu wichtigen Wegmarken des Projekts insbesondere eine Reihe von Veranstaltungsformaten zur Kommunikation der Evaluationsergebnisse: die Vorstellung der Projektergebnisse in der Führungskonferenz des Bistums Essen, der Workshop mit den Pfarrern der Diözese und mehrere Präsentationen für Vertreter der Pfarrgemeinderäte und pfarreilichen Steuerungsgruppen des PEP.
Was sind die zentralen Learnings im Projekt, bezogen auf die Ausgangsfrage?
Die Voten des Pfarreientwicklungsprozesses haben über drei Jahre lang zahlreiche haupt- und ehrenamtliche Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in den Pfarreien mobilisiert und enthalten eine Fülle unterschiedlicher pastoraler Visionen. Mit Blick auf den nun anstehenden Handlungsbedarf für das Generalvikariat haben sich aus den Voten so zahlreiche Erkenntnisse ergeben. Ein kontinuierlicher Faktor blieb in allen Phasen der Evaluation die Heterogenität der Pfarreiverständnisse, die sich in den Voten niedergeschlagen und großen Einfluss auf die Formulierung der pastoralen Leitlinien hatten: Ein Teil der Voten setzt auf ein gemeindeorientiertes Modell. Hier strukturieren die einzelnen Gemeinden die pastorale Arbeit vor Ort. Andere Voten hingegen optieren für ein Netzwerkkonzept, bei dem die Gemeindegrenzen zugunsten einer pfarreiweiten Organisation der Pastoral verschwimmen. Dies muss die diözesane Planung des Pfarreientwicklungsprozesses berücksichtigen. Hinsichtlich der pastoralen Schwerpunkte zeigen sich im Gesamt der Voten zudem deutliche Tendenzen, die nun durch konkrete Maßnahmen gefördert und durch ergänzende Perspektiven flankiert werden können: Kinder- und Jugendarbeit, karitative Maßnahmen und Gottesdienste zählen zu den thematischen Spitzenreitern in den Voten. Andere Themen wie etwa die Seniorenpastoral oder das kulturelle Engagement der Pfarreien sind für viele Voten bloß sekundär.
Wo kann man sich über die (Teil)Ergebnisse informieren?
Das Evaluationsprojekt ist mittlerweile abgeschlossen, ein ausführlicher Gesamtbericht liegt vor. Die Ergebnisse wurden in Kooperation mit dem Bistum Essen gemeinsam mit Reflexionen von Expertinnen und Experten aus Theologie, Kirchengeschichte und Sozialwissenschaften in einem Sammelband publiziert.
Die geplante Tagung Transformation der Pfarrei am 17./18.03.2020 in der Katholischen Akademie „Die Wolfsburg“ (www.die-wolfsburg.de) musste aufgrund der Corona-Krise leider verschoben werden, wird aber zu einem späteren Zeitpunkt nachgeholt.
Einen Überblick über einige ausgewählte Ergebnisse können dem folgenden Kurzinterview entnommen werden, das im Rahmen eines Präsentationstermins entstanden ist: