Dr. Thomas Kiefer ist Leiter der Abteilung “Seelsorge in Pfarrei und Lebensräumen" im Bistum Speyer. Gemeinsam mit dem Bistum führt das zap derzeit das Projekt „Qualität und Effektivität in der Seelsorge“ durch. Das zap begleitet dabei den Optimierungsprozess der kirchlichen Angebote des Bistums Speyers wissenschaftlich.
In der Kirchenzeitung “der pilger" des Bistums Speyer ist nun ein Interview mit Dr. Thomas Kiefer erschienen, das wir Ihnen hier präsentieren dürfen.
Sehr geehrter Herr Dr. Kiefer, seit einiger Zeit läuft im Bistum Speyer ein Projekt, bei dem in Kooperation mit dem Bochumer Zentrum für angewandte Pastoral (zap) an ausgewählten Orten die Qualität und Effektivität der Seelsorge untersucht wird. Wie kam es dazu?
Der Anstoß kam aus einer Klausurtagung der Bistumsleitung, genauer gesagt vom Allgemeinen Geistlichen Rat im Jahr 2019. Man war an einem Instrument interessiert, an einem Seismografen, der sowohl den Pfarreien vor Ort als auch der Leitung zu erkennen hilft, wo Seelsorge „erfolgreich“ ist. Man sollte vielleicht besser sagen: wann und warum Seelsorge bei den Menschen besonders gut oder auch weniger gut ankommt. Dieses Interesse an einer möglichst guten Qualität und Effektivität in der Seelsorge lässt sich nahtlos verbinden mit der Vision in unserem Bistum, wo es heißt, dass Christinnen und Christen ein Segensort in der Welt und für die Menschen sein wollen. Darüber hinaus erhofft man sich von dem Vorhaben eine Richtungsanzeige, wo es sich angesichts der knapper werdenden finanziellen und personellen Ressourcen lohnt, in den Pfarreien und an anderen Orten Schwerpunktsetzungen vorzunehmen.
Wie sieht der zeitliche Rahmen aus?
Gestartet wurde mit dem Projekt im März 2021 mit der Auswahl von Projektteams. Diese haben dann mit Beratung des zap sogenannte „qualitätssensible Punkte“ ausgemacht, wo sie genauer hinschauen wollten und sich das konkrete pastorale Handeln optimieren lässt. Nach dieser ersten Phase, die bis zu den Sommerferien 2022 laufen soll, wird es darum gehen, anhand der Ergebnisse Qualitätsinstrumente festzulegen, die dann auch an allen anderen Orten, wo Seelsorge stattfindet, eingesetzt werden. Ob und mit welcher Verbindlichkeit diese Instrumente eingeführt werden, soll bis zum Sommer 2023 entschieden werden.
Bei der Befragung sind mit Otterberg, Kaiserslautern St. Martin und Herxheim drei recht unterschiedliche Pfarreien beteiligt, außerdem die Krankenhausseelsorge in der Unfallklinik Ludwigshafen und die katholische Jugendzentrale in St. Ingbert. Wie kam es zu dieser Auswahl, und nach welchen Kriterien wurde ausgesucht?
Der Arbeitsgruppe war es wichtig, dass sowohl eher städtisch als auch eher ländlich geprägte Pfarreien zum Zuge kommen. Einig war man sich zudem darüber, dass auch andere Orte von Seelsorge in den Blick kommen sollen. Die Krankenhausseelsorge ist insofern interessant, als sie im System Krankenhaus (mit Ausnahme der katholischen Krankenhäuser) eine „Gastrolle“ einnimmt. Und die Jugendzentrale ist eine Einrichtung, wo sich Seelsorge mittelbar und multiplikatorisch durch die Unterstützung der Jugendverbände und Pfarreien vollzieht.
Wer hat entschieden, was und wie untersucht wird – und worauf wird geschaut?
Zu welchem Schwerpunkt ein Qualitätsinstrument ausprobiert werden soll, wurde von den Seelsorgeteams entschieden. In der Otterberger Pfarrei Mariä Himmelfahrt wollte man Rückmeldungen von den Kommunioneltern zur katechetischen Begleitung der Kinder und Eltern. Außerdem wurde untersucht, wie der Weg beginnend mit der Anmeldung eines Kindes zur Taufe bis zur Tauffeier selbst und darüber hinaus optimiert werden kann.
In Kaiserslautern Hl. Martin suchte man nach Kriterien, wie die Sitzungsqualität in den Pfarrratssitzungen verbessert werden kann. Zudem ist man daran interessiert, den Erstkontakt im Pfarrbüro – etwa bei Anfragen zu Eheschließungen oder Beerdigungen – kundenfreundlicher zu gestalten.
Das Pastoralteam in Herxheim Hl. Laurentius ließ in der Kirche sogenannte „Feedback-Terminals“ aufstellen, sodass die Gottesdienstbesucherinnen und -besucher angeben konnten, ob sie sich durch Predigt und Gottesdienstgestaltung angesprochen fühlten. Zusätzlich wurde eine Befragung zur Verbesserung des Pfarrbriefs durchführt, an der sich erfreulich viele Menschen beteiligt haben.
Das Team der Jugendzentrale in St. Ingbert führte eine Bedarfsanalyse in den Jugendverbänden und in den Pfarreien durch, um zu überprüfen, ob es mit seinem Angebot richtig liegt. Anschließend sollte ein strategisches Ziel- und Aufgabenverständnis entwickelt werden.
Und in der BG Klinik Ludwigshafen ging es darum, mithilfe einer gezielten Befragung durch das zap Bochum die Sichtbarkeit der Seelsorge im Klinikum zu erhöhen und dafür relevante Faktoren zu stärken.
Sind die Befragungen überall abgeschlossen oder laufen sie noch?
Wie überall wurde auch der Zeitplan dieses Projektes durch die Corona-Pandemie durcheinandergewirbelt. Deshalb konnten die Analysen nur zum Teil abgeschlossen werden. Die Teams haben nun noch Zeit bis zu den Sommerferien.
Wie sehen bislang die Rückmeldungen aus – und liegen bereits Ergebnisse vor?
Die endgültigen Ergebnisse werden erst zum Sommer vorliegen. Aber was man schon jetzt sagen kann: Von allen Seelsorgeteams wird diese qualitative Herangehensweise als Gewinn erfahren. Und diese wiederum bekommen von den Befragten Sätze zu hören wie „Es überrascht mich positiv, wenn nach meiner Meinung gefragt wird“ oder „Ich beteilige mich gerne!“.
Wie funktioniert die Zusammenarbeit zwischen den Verantwortlichen vor Ort, der Bistumsleitung und den Forscherinnen und Forschern in Bochum?
Im Bischöflichen Ordinariat wurde dazu eine eigene Arbeitsgruppe gegründet. Dort sind Hauptabteilungsleitungen und Abteilungsleitungen unterschiedlicher Fachbereiche vertreten. Mit Prof. Matthias Sellmann und seinem Forschungsteam trifft man sich ungefähr dreimal im Jahr. Dazwischen gibt es kleinere Abstimmungstreffen. In engerem Abstand werden die fünf Projektorte begleitet. Dazu kommen die Leute aus Bochum auch vor Ort ins Bistum. Zusätzlich gibt es digitale Austauschtreffen der fünf Pilotteams. Ich habe die Aufgabe, das Gesamtprojekt zu koordinieren.
Wie geht es mit dem Projekt weiter – wird es eine abschließende Bilanz geben oder denkt man daran, auch noch an anderen Orten oder in anderen Bereichen Befragungen durchzuführen?
Die ersten greifbaren Ergebnisse werden bis zum Sommer vorliegen. Anschließend wird überprüft, inwieweit die erprobten Instrumente auf andere pastorale Handlungsfelder übertragen werden können. Gegebenenfalls werden die Instrumente noch durch weitere ergänzt. Geplant ist, bei erkennbarem Erfolg die Qualitätsinstrumente verbindlich einzuführen. Da liegt aber die Entscheidung beim Bischof und seinem Leitungsstab.
Werden sich die Ergebnisse auf den künftigen Einsatz von Finanzmitteln und Personal auswirken, zumal das Bistum den Gürtel ja enger schnallen muss? Wird man sich von Angeboten verabschieden, die bei Befragungen nicht „gut ankommen“?
In erster Linie sollen die Akteure selbst die Instrumente nutzen können. Es liegt doch auf der Hand, dass die Arbeitszufriedenheit steigt, wenn sie honoriert wird. Selbstverständlich können die Erkenntnisse auch für die Steuerung von Ressourcen genutzt werden. In welcher Form dies dann geschehen soll, lässt sich momentan noch nicht sagen. Ich bin allerdings davon überzeugt, dass eine qualitätsorientierte Steuerung von Finanzmitteln und Personal für Transparenz sorgen und die Motivation erhöhen könnte.
Anders als in anderen Ländern sind pastorale „Dienstleistungen“ der katholischen Kirche in Deutschland ja kirchensteuerfinanziert und die Hauptamtlichen vergleichbar bezahlt. Verdienen „erfolgreiche“ Seelsorger bald mehr als ihre Kolleginnen und Kollegen, die weniger gutes Feedback bekommen?
Das wäre sicher der falsche Ansatz. Aber eine Lohnerhöhung in Form von Anerkennung und Freude, die einem widergespiegelt wird, wäre ja auch schon was! Und so ganz abwegig wäre das meiner Meinung nach nicht, über einen Fördergeldtopf Projekte zu honorieren, die von den Menschen als segensreich erfahren werden.
Es gibt den Satz des Religionsphilosophen Martin Buber, wonach „Erfolg kein Name Gottes“ ist. Lässt sich die Qualität und Effektivität von Seelsorge tatsächlich messen oder entzieht sich Pastoral nicht den Maßstäben der „Marktforschung“?
Es bleibt ein christlicher Grundsatz, dass die Liebe Gottes nicht „machbar“ ist – sie ist und bleibt Gnade, Gottesgeschenk. Aber wir können als kirchliche Akteure zum Hindernis für den Segen Gottes werden – oder einen positiven Beitrag leisten. Und messen kann man die Qualität von Seelsorge, wenn man die Menschen ernst nimmt und sich eine Rückmeldung geben lässt: Was hat dir gutgetan, und was kann ich dir Gutes tun? Björn Szymanowski vom zap hat dies in einem wissenschaftlichen Aufsatz „Vom Segen der Qualität“ wie folgt auf den Punkt gebracht: „Selbst die stärksten Ambitionen, anderen in Form pastoraler Vollzüge zum Segen zu werden, laufen ins Leere, wenn Kenntnis darüber fehlt, worin sich gutes Leben für Interessengruppen pastoraler Praxis äußert und wie jene bei der Verwirklichung dieses guten Lebens unterstützt werden können“.
Gibt es auch kritische Stimmen?
Die gab es natürlich, auch in der von mir erwähnten Arbeitsgruppe gab es Skeptikerinnen und Skeptiker. Aus diesem Grund war es Bischof Dr. Karl-Heinz Wiesemann wichtig, in einer Pilotphase zu prüfen, ob das Projekt bei den Seelsorgerinnen und Seelsorgern auf positive Resonanz stößt. Und genau dies ja momentan der Fall, was uns wiederum freut!
Wie sieht Ihre Zwischenbilanz aus?
Die Entscheidung, mit ausgewählten Projektteams zu beginnen und das Projekt auf Praxistauglichkeit zu prüfen, war der richtige Weg. Die ersten Ergebnisse zeigen, dass es für die Seelsorgerinnen und Seelsorger ein Gewinn ist, die eigene Arbeit kritisch hinterfragen zu lassen.
Interview: Tobias Wilhelm
Die Text- und Bildrechte liegen beim Bistum Speyer und der Zeitung “der pilger“.
Dr. Thomas Kiefer (Credit: der pilger)